Morgens aufwachen und nicht das Smartphone checken, keine Tageszeitung auf dem Frühstückstisch, keine aberwitzigen Moderationen aus dem Autoradio auf dem Weg zur Arbeit und zum krönenden Abschluss ein Abend ohne Tagesschau. Eine Welt ohne Journalismus klingt machbar, und ist es in der ein oder anderen Situation sicher auch. Aber deswegen komplett auf Nachrichten, Magazine und Reportagen aus aller Welt verzichten? Klingt unmöglich. Und doch war es für jeden von uns eine unbeschwertere Zeit …
Einmal wieder Kind sein
Denn als Kind lagen die Interessen woanders. Die meisten Nachrichten erreichten uns gar nicht und irgendwie war alles viel unbeschwerter, oder? Kaum ein Gedanke wurde an Themen wie Krieg, Wirtschaft oder Steuern verschwendet. Stattdessen ging es um uns, unsere Liebsten und wie man den eigenen Spaß maximieren kann.
Heute werden wir mit Nachrichten aus aller Welt geradezu erschlagen. Mieterhöhungen, Mindestlohn, Flüchtlingskrise und Abgaswerte. Zwischendurch eine Folge Trovatos und Frauentausch, um zu verschnaufen, aber einfacher macht es das eigene Leben nicht, ständig mit den Problemen und Themen der gesamten Welt konfrontiert zu sein. Haben wir nicht genug eigene Probleme? Wer kümmert sich denn darum, dass ich was zu Essen auf dem Tisch habe? Wer hört sich meine Probleme mit der Obrigkeit an? Im Fernsehen wird doch ständig nur von den anderen berichtet!
Brauchen wir dann also überhaupt Journalismus? Ich sage ja: Als mündiger Bürger brauchen wir die Medien, um uns ein Bild von der Welt zu machen, um zu verstehen, warum es anderen so geht, wie es ihnen geht und warum unsere Privilegien, hier in Mitteleuropa, nicht selbstverständlich sind. Als mündiger Bürger hat man eben nicht nur eine Verantwortung für sich, sondern auch für die Gemeinschaft.
Außerdem helfen uns Journalisten im besten Fall echte Missstände aufzudecken, der Politik auf den Zahn zu fühlen und dem einzelnen tatsächlich eine wahrnehmbare Stimme zu geben.
Journalisten haben Verantwortung
Das hier das ein oder anderen Medium, allen voran die BILD, gern mal über das Ziel hinaus schießt, gehört dazu. Die Arroganz vieler Medien sich eigenen Fehlern nicht gebührend zu stellen oder schlicht nicht offen zu kommunizieren, wie sie arbeiten, ist allerdings ein großer Fehler. Denn auch Journalisten müssen sich häufiger eingestehen nicht perfekt zu sein.
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Dabei ist eine grundlegende Skepsis den Medien gegenüber ja nicht verkehrt. In den Redaktionen sitzen auch nur Menschen mit bestimmten Interessen und Neigungen. Auch die Schnelllebigkeit und der zunehmende Sparkurs in den Medienunternehmen, tut der Qualität nicht gut. Ohne Frage. Hier muss sich etwas ändern.
In unserer Verantwortung als Konsumenten liegt es allerdings auch diese Informationen richtig einzuordnen und zu bewerten. Das gehört zu unserer demokratischen Freiheit, die sich unsere Vorfahren mühsam erkämpfen mussten. Wenn die BILD also das eine schreibt und der SPIEGEL das andere, liegt die eigene Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten Themen nachzugehen, uns darin zu vertiefen und weitreichend zu informieren.
Der Mündige Konsument
Der Mensch ist von Natur aus faul. Eine schockierende Nachricht. Eine Quelle. Es wird schon irgendwie stimmen. Und alle, die etwas anderes behaupten, lügen sowieso – und ausschließlich. Was bei der BILD salonfähig wurde, greift langsam auch auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Lokalzeitungen und Nachrichtenwebseiten über.
Gewisse Kreise versuchen den Begriff Lügenpresse zum geflügelten Wort zu machen. Doch Vorsicht: Bloß weil ein Detail oder eine Nachricht nicht stimmt oder die Medien nicht im eigenen Sinn berichten, ist nicht der gesamte Presseapparat die Lügenpresse. Wenn ein Maurer schlampig arbeitet, ist doch auch nicht gleich das gesamte deutsche Handwerk unfähig.
Überhaupt wirkt der Begriff Lügenpresse, aus den Kreisen von PEGIDA & co., eher wie ein Instrument sich seine eigene Meinungshoheit zu schaffen. Wenn nicht mehr stimmt, was in der Zeitung steht, dann muss ja stimmen, was mir mein Nachbar auf Facebook erzählt, oder? Man versucht selbst besser als die Journalisten zu sein. Viele merken nicht, dass man sich so auf ein gefährliches Spiel mit dem Kampf um die Wahrheit einlässt. Pressevertreter sind quer über das Land verteilt, arbeiten mal für eher linke, rechte oder liberale Medien, aber wenn ich im Meinungssumpf derer versinke, die mir ohnehin die ganze Zeit nur zustimmen und eine unterschwellige Angst befeuern, schaffe ich mir nur meine ganz eigene Wahrheit. Daran sind gerade die sozialen Medien auch nicht ganz unschuldig.
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Plötzlich sind andere Meinungen und Ansätze also grundsätzlich falsch? Wer den Medien glaubt, ist naiv und soll aufwachen? Spätestens da sollte ich als erwachsener Mensch doch stutzig werden. Es gibt bei komplexen Themen oft nicht die eine Wahrheit, sondern nur verschiedene Sichtweisen, aus denen ich meine Schlüsse ziehen muss. Von erwachsenen Bürgern, die auf Staat und Politik schimpfen, sollte man doch zumindest erwarten verschiedene Perspektiven zu hören und einordnen zu können. Gerade bei etablierten Massenmedien kann man nicht grundsätzlich Böswilligkeit unterstellen. Dafür sind sie sich untereinander schon zu uneins. Glaubt man aber nur an seine eigene Dickköpfigkeit, schafft man die Freiheit der vierten Macht im Staat (und das ist die Presse) Stück für Stück ab. Und am Ende lenken doch wieder nur einzelne Rädelsführer ihre Schäfchen.
Manchmal wünsche ich mir auch wieder ein unbeschwertes Kind zu sein. Dann fällt mir aber ein: Oh, du bist erwachsen. Das wolltest du doch damals immer sein, um mitbestimmen zu können.
Nun, das kann ich jetzt. Aber bitte nicht mit den Argumenten eines Kindes.