Wenn die Reality-TV-Formate von RTL eine große Familie wären, dann wäre deren Stammbaum definitiv ein Kreis. Keine andere Senderfamilie hat es so perfektioniert seine Protagonisten von einem Format ins nächste mitzunehmen. Was auf den ersten Blick negativ klingt, hat aber durchaus auch seine Vorteile.
Eigentlich verspricht der Name „Reality-TV“ ja, die Realität abzubilden. Aber anders als bei Dokus und Reportagen scheint das in den meisten Fällen eine parallele Realität zu sein. Sei es beim Bachelor, Ex on the Beach oder Couple Challenge – die Kandidaten werden in meist exotischen Villen und Locations versetzt, die für die allermeisten Menschen alles andere als Realität sind.
Jetzt mag man unterstellen: Aber das reale Leben bringen die Kandidaten in die Sendungen. Aber ist das wirklich so? Wer verhält sich in zwei bis drei Wochen in einer Partylocation, wie im normalen Leben? Ohne früh aufstehen, Stress auf Arbeit oder dem stündlichen Blick auf Instagram für die Selbstbestätigung. Dazu immer ein vorausgewähltes Casting, dass bestimmte Typen Mensch gar nicht erst eine Chance bietet, weil sie vor der Kamera introvertiert wären und nichts zu erzählen hätten. Und andere Paarungen, die bewusst anecken sollen. Reality-TV soll ja nicht langweilig werden.
RTL schafft sich innerhalb der Formate eine eigene Realität
Was RTL perfektioniert hat, ist es zu erkennen, wer von den Kandidaten vor der Kamera besonders polarisiert, aus sich rausgeht oder für Konflikte sorgt. Nur um diese Leute dann im nächsten Format neu zusammenzuwürfeln. Wer bei Are You The One seine Perfect Match gesucht hat, darf das dann nochmal bei Ex on the Beach versuchen, währen der Ex-Partner aus dem ersten Format als Ex am Strand wieder auftaucht. Klappt das Verkuppeln, geht’s zu Temptation Island – wenn nicht, aber auch nicht schlimm. Bei Couple Challenge – einer Mischung aus Big Brother und Fort Boyard – wo dann auch gern mal „Freunde“ aus den vergangenen Formaten zusammen gegen Paare aus anderen Formaten antreten dürfen.
Das Reality-TV von RTL schafft sich seine ganz eigene Realität, inklusive einer eigenen TV-Familie. Ein Metaverse der TV-Shows. Man lernt die Kandidaten über die Formate hinweg immer besser kennen. Ihre Macken, ihre Looks und was sie liebenswürdig macht. Sie wachsen daran und verändern sich von Format zu Format – aber es bleibt eine TV-Realität. Es ist, als würden die Simpsons plötzlich in South Park auftauchen oder Dr. House die Anfänger bei Scrubs zusammenstauchen.
Wenn die echte Realität das Reality-TV einholt
Etwas einfallslos und durchoptimiert ist das auf alle Fälle. Es bietet den Zuschauern aber auch Potential seine „Helden“ länger als nur über eine Staffel eines Dating-Formates zu verfolgen. Sie sind kein unbeschriebenes Blatt, haben eine Vorgeschichte. Wer aufmerksam ist, wird belohnt, weil er Zusammenhänge und Animositäten zwischen den Kandidaten besser versteht.
Auf der anderen Seite besteht aber auch immer die Gefahr, dass man der immer selben Leute überdrüssig wird. Dann bleibt nur das hoffen auf die Casting-Abteilung. Oder es geht komplett in die Hose, wie mit der auf Krawall gebürsteten Christin Okpara, die im Januar 2022 doch nichts ins Dschungelcamp einziehen durfte. Es gab Probleme mit ihrem Impfstatus – mit der echten Realität.