Hey Fernsehen, ich mag dich. Das weiß hier eigentlich jeder. Aber in den letzten Jahren haben wir uns etwas auseinander gelebt. Du und ich. Wir verbringen weniger Zeit miteinander. Und wenn, dann wissen wir einander auch nicht so recht zu begeistern. Was ist da los?
Früher konnte ich es kaum erwarten mit dir abzuhängen. Frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, nachmittags, gleich nach der Schule und dann bis spät in den Abend hinein. Oft heimlich und länger, als vielleicht gut für meinen Schlafrhythmus gewesen wäre. Doch wir hatten Spaß. Wir haben zusammen gelacht, geweint und uns gegruselt.
Experimente im Nischenprogramm
Später habe ich deine Ecken und Nischen entdeckt. Das was alle kennen, war irgendwann langweilig. Jede Woche habe ich nach neuen Spartensendern gesucht, Sender zu den ungewöhnlichsten Zeiten geschaut und mich immer wieder diebisch gefreut, wenn ich eine obskure Sendung im Nachtprogramm entdeckt habe.
Noch etwas später kamen interaktive Programme, Gameshows und Call-in-Formate dazu. Du wolltest dem Zuschauer noch näher sein. Und das gefiel mir.
Liebes Fernsehen, hast du dich selbst noch gern?
Aber irgendwann hast du es einfach übertrieben. Echte Menschen zu begleiten, ist eine Sache. So zu tun, als würde man echte Geschichten erzählen, die dann aber frei erfunden sind, eine andere. Leute zum Interagieren aufzufordern, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen? Wie kommt man nur auf so blöde eine Idee? Immer mehr Persönlichkeiten, die sich ins Rampenlicht drängen, als Promis aufzubauen (obwohl sie keine sind), eine noch viel blödere.
Irgendwann hast du einfach angefangen dich selbst und deine Protagonisten nicht mehr ernst zu nehmen. Hauptsache irgendwas flimmert. Hauptsache, es sorgt für ausreichend Zuschauer, um die Werbekunden bei der Stange zu halten. Hast du dich eigentlich selbst noch gern?
Wo bleibt die Lust wirklich Neues auszuprobieren?
In einer Zeit, in der das Internet immer mehr sich selbst findet, hast du begonnen, dich selbst aufzugeben. Weniger Live-Programme, weniger echte Geschichten und immer mehr selbstreferntielle Zurschaustellung von sogenannten Promis, platter Unterhaltung und mangelnder Lust auf Neues.
Stattdessen gibt es endlose Serienwiederholungen, banalen Wissenssendungen und Shows, die von den gefühlt immer gleichen fünf Nasen wegmoderiert werden. Vor Live-Sendungen hast du Angst, denn es könnte ja etwas unerwartetes passieren und neue Ideen müssen erst im Ausland ein Erfolg gewesen sein, um hier an den Start zu gehen.
Junge Zuschauer suchen sich neue Plattformen
Statt dich auf deine Stärken zu besinnen, versucht du mit aller Kraft die übrigen Zuschauer um jeden Preis zu halten, statt neue für dich zu begeistern. Du weißt, dass das Internet auf junge Leute eine viel größere Faszination ausübt. Doch einfach nur Internet-Nasen und schnelle Schnitte zu kopieren, reicht halt nicht.
Netflix und Amazon zeigen, dass auch heute noch Fernseh-Inhalte begeistern können. Aber das Fernsehen soll das nicht schaffen?
Liebes Fernsehen: Lerne endlich, dich wieder selbst zu lieben. Dich und deine Zuschauer. Mit dem Status quo, dem ewigen Sparen an Inhalten und Machern, lässt du dich nur am dahinsiechen – und langsam sterben.
Ich möchte das nicht! Und du?