Am ersten April ist der neuste Sprössling der RTL-Famile gestartet: RTL Nitro. Doch was verspricht sich RTL mit diesem – doch sehr plötzlich gestarteten – Sender? Warum sendet man die Serien und Filme nicht einfach auf einem der bestehenden Kanäle in der Senderfamilie? Welche Chancen hat RTL Nitro im hart umkämpften TV-Markt? Aus meiner Sicht gibt es mehrere Gründe, die dafür sprechen auf einen weiteren Sender zu setzen. Eine kleine Analyse.
Erst seit ein paar Tagen ist RTL Nitro jetzt auf Sendung und versucht die Zuschauer unter dem Motto „Fernsehen für Helden“ mit alten Klassikern, wie Knight Rider und Hör mal, wer da hämmert, aber auch mit Erstausstrahlungen der in den USA überaus erfolgreichen Serien Modern Family und Nurse Jackie an sich zu binden.
Betrachtet man das Sendeschema von RTL Nitro einmal völlig nüchtern, wirkt es auf den ersten Blick wie ein weiterer Seriensender, der an zwei Abenden zusätzlich mit Filmen bestückt wird. So begibt man sich in ein Segment, dass schon so manch anderer kleiner Sender abdeckt. Darunter etwa Das Vierte, TELE5, ZDFneo und vor allem sixx mit dem man auf den ersten Blick in direkter Konkurrenz steht.
Doch während der Prosieben-Sprössling von vornherein als Frauensender gestartet ist, war bei der ersten Ankündigung für mich nicht klar ersichtlich, welche thematischen Schwerpunkte RTL Nitro übernehmen sollte. So gab es zwar den Slogan: Fernsehen für Helden , aber eine starke Key-Visual fehlte.
Der Vermarkter des Senders, IP Deutschland, beschreibt das Programm allerdings wie folgt:
US-Serien und US-Sitcoms mit exklusiven Free-TV-Premieren-, Spielfilme sowie deutsche Actionserien und männeraffines Factual-Entertainment
So grenzt man sich auf dem Papier deutlich vom Prosieben-Pendant ab, bleibt aber nicht gleichermaßen im Gedächtnis. Hatten und haben die Hühner bei sixx noch eine starke weibliche Botschaft, die im Kopf bleibt, hat RTL Nitro nur die Band The Overtones als aktuelle Gesichter des Senders. Die zwar in ihren Anzügen durchaus männlich wirken, für mich aber weniger klar im Gedächtnis bleiben. Im Print oder auf großen Werbeplakaten hat RTL Nitro, im Gegensatz zu sixx, gar nicht erst versucht Aufmerksamkeit zu erwecken. Etwas mehr Mut von Seiten des Senders wäre hier definitiv wünschenswert.
Einzig der Sendestart kurz vor die Abschaltung des analogen Satellitensignals dürfte die Wahrnehmung noch einmal leicht gesteigert haben, wenn die potentiellen Zuschauer ihre Geräte deswegen neu programmieren und auf den Sender stoßen.
Inhaltlich setzt man vor allem auf alte Serienkost, gemischt mit ein paar aktuellen Serienpremieren. Somit versucht man sich auch von anderen Männersendern, wie DMAX oder TELE5 abzugrenzen. Setzt DMAX vor allem auf Dokus und Reportagen und TELE5 auf Serien, aber vor allem Filme am Abend, so ist RTL Nitro – mit wenigen Ausnahmen – ein Seriensender. Und auch ZDFneo scheint andere Ziele zu verfolgen, indem dort momentan verstärkt auf Eigenproduktionen, wie Bambule, neoParadise oder Iss oder quizz gesetzt wird.
Man hat also inhaltlich schon darauf geachtet, sich nicht zu stark mit einem anderen Programm zu überschneiden. Problematisch könnte diese Positionierung allerdings insofern sein, wenn mit einer Serie mal ein eher weibliches Publikum angesprochen werden soll. Es wird sich zeigen ob und wie RTL mit solchen Serien umgehen wird. Momentan heißt es vom Sender nur:
RTL NITRO soll zunächst Erwachsene von 20 – 59 Jahren ansprechen mit programmlichen Schwerpunkten für ein männliches Publikum.
Aber warum nutzt RTL nicht einfach die bestehenden Sender in seinem Verbund, um eine Serie passend zu platzieren? Schließlich laufen etwa auch alte Serien wie MacGyver und Das A-Team auf RTL II momentan sehr erfolgreich.
Auch wenn es komisch klingt, sehe ich eben diesen Erfolg und die stetig steigenden Marktanteile der RTL-Sender auch als Grund für den Start von RTL Nitro. Selbstverständlich werden sich sichere Bänke, wie eben MacGyver, oder auch aktuelle Serien wie Cobra 11 weiterhin in den Hauptprogrammen (RTL, RTL II, VOX & Super RTL) finden. Doch gerade bei weniger erfolgreichen Produktionen kann sich das Ausstrahlen einer Serie auf einem Sender mit deutlich niedrigerem Senderschnitt auszahlen.
So kann RTL aktuelle US-Serien ohne großes Risiko testen und als Zuschauer bekommt man diese nun hoffentlich deutlich früher zu sehen. So wurde schließlich früher auch CSI:Miami auf VOX ausgestrahlt, bevor es RTL übernahm. Mittlerweile ist aber auch die Jahresmarktanteil von VOX (7,3 %, 14-49 Jahre in 2o11) deart gestiegen, dass solche Experimente zunehmend schwerer wurden.
Aktuell demonstrieren Prosieben und sixx mit Vampire Diaries sehr gut, wie sich dies auf die Sender auswirkt. Was für Prosieben ein Desaster ist, liegt bei sixx weit über Senderschnitt (0,5 %, 14-49 Jahre in 2011). Dadurch können beim deutlich günstiger zu betreibenden sixx zusätzliche Werbeeinnahmen generiert werden, statt dass die Sendung bei Prosieben unter Senderschnitt liegt und so im nachhinein gar die Werbepreise gesenkt werden müssen.
Damit wären wir auch beim letzten Punkt: RTL Nitro lässt sich im Vergleich zu einem großen Sender mit Eigenproduktionen und vielen Mitarbeitern, deutlich günstiger betreiben. Schließlich muss nur in der Sendeabwicklung darauf achten, dass zu richtigen Zeit, die richtigen Serien abgespielt werden.
So kann man den Sender sicher auch als Resterampe sehen, ich jedoch sehe ich RTL Nitro als große Chance auch in Deutschland wieder mehr weniger konventionelle Serien zu etablieren. Ich selbst fand die ersten Folgen von Modern Family durchaus unterhaltend, könnte sie mir aber auch nicht auf einem großen Sender vorstellen, schon gar nicht in der Primetime.
Wie sich die Quoten entwickeln, wir man leider erst in einigen Wochen sehen können. Zurzeit weist RTL Nitro diese noch nicht öffentlich aus. Eine Reichweite wie von ZDFneo (0,3 %, 14-49 Jahre in 2011) oder sixx (0,5 %, 14-49 Jahre in 2011) sehe ich mit der Marktmacht von RTL (18,4 %, 14-49 Jahre in 2011) aber durchaus als realistisch. Momentan fehlen dem Sender meiner Meinung nach nur Aufmerksamkeit und genug Seriennachschub.
Potential hat der Sender auf jeden Fall – RTL muss nur noch selbst ausreichend Mut beweisen!