Stell dir vor du bist allein in einem dunkeln Wald und irgendwo lauert Thore Schölermann. Scream! If you can heißt die neue Gameshow, in der ProSieben fünf Kandidaten mit einer Mischung aus SAW, Blair Witch Project und blassen Moderationen konfrontiert. Es geht um 70.000 Euro und darum seine Ängste zu überwinden. Zumindest mehr oder weniger. Am Ende laufen doch alle nur vor einem Rudel Hunde davon … Trotzdem ist die Sendung einen Blick wert.
Scream! If you can schickt eine Gruppe aus fünf Kandidaten in einen nächtlichen Wald, wo sie – allein oder in der Gruppe – Prüfungen bestreiten müssen. Jede Prüfung resultiert in einem Schlüssel mit dem jeweils ein Kandidat Zugriff auf eine Truhe und damit eine gewisse Geldsumme hat. Insgesamt gibt es 70.000 Euro zu erspielen. Einzige Bedingung: Mit dieser Summe im Rucksack müssen sie 90 Meter weit vor einem Rudel Hunde fliehen. Das wiederum ist auch nicht verwunderlich, heißt das britische Original doch: Release the Hounds.
Und tatsächlich ist das auch der Kern des Spielprinzips und wäre eigentlich in zehn Minuten abgehandelt. Dieser martialische und rein auf Sportlichkeit zielende Part fügt sich überhaupt nicht gut in die restliche Sendung. Warum sie trotzdem knapp zwei Stunden dauert ist gleichwohl der Grund für den Zuschauer dran zu bleiben, auch wenn es wenig Relevanz für den Ausgang des Spiels hat.
Wir machen eine Nachtwanderung
Denn eigentlich dringen die fünf Kandidaten in einen Wald ein, werden nur durch Pfeile und ihre Umgebung durch das Terrain geleitet, voneinander getrennt und wieder zusammen gebracht. Sie landen in Situationen, die eine Mischung aus Horrorfilm und Dschungelprüfung sind. Seien es zu erklimmende Vogelscheuchen, die eine Kandidatin mit einer ekligen Pampe bespucken, ein enger Vorratsraum voller Körperteile, den es zu durchsuchen gilt, oder die Suche nach einem Zündschlüssel in einem verwahrlosten Auto. Die Situationen sind optisch und akustisch hervorragend inszeniert und sorgen auch beim Zuschauen für den ein oder anderen Schreckmoment. Die Prüfungen sind lose miteinander verknüpft und beruhen auf dem alten Horrorfilm-Prinzip, dass sich das Team nach und nach verkleinert, bis nur noch einer übrig ist.
Doch anders als im Horrorfilm, sind sich die Kandidaten ständig der Situation eines Spiels bewusst. Man sieht sie sich erschrecken oder ekeln, wirklich Angst um das eigene Leben hat niemand. Anders als bei „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ gibt es auch keinen Ausruf, um der Situation zu entkommen. Somit ist von vornherein klar, dass alle Prüfungen bestanden werden müssen. Schon allein deswegen, weil etwa die beiden männlichen Kandidaten Alec und Alex eingeschlossen werden und sie ohne die Hilfe der später zu ihnen geführten Alina dort sonst auf ewig geblieben wären. Außer ein Kandidat verweigert, gibt es so eigentlich keine Situation, in der ein benötigter Gegenstand verloren gehen kann.
Das ist jedoch – bis auf wenige Ausnahmen – nicht schlimm und trotz allem erfrischend anders, als jede 08/15 Game- oder Quizshow. Würde über die Verknüpfung der Spiele tatsächlich eine komplett zusammenhängende Story erzählt werden, wäre es eine moderne Art fiktive Geschichten mit echten Kandidaten zu erzählen. Kurz blitzt dieses Element am Ende auf, wenn der letzte Kandidat noch einmal aus einem Buch die Geschehnisse der Sendung vorliest.
Moderation: Thore Schölermann
Doch dann ist da noch Thore Schölermann. Thore Schölermann hat nicht viel zu sagen bei Scream! If you can, vielmehr ist er eine Art Spielleiter, jemand der die Kandidaten kurz begrüßt und sie am Ende verabschiedet. Das allerdings macht er nicht etwa in der Art eines Expeditionsleiters, eines Mentoren oder als Gastgeber der Veranstaltung, sondern als Thore Schölermann. Beim Informationsgehalt und Emotionalität seiner Kommentare hätte man ihn aber gern auch gegen einen Block Recyclingpapier ersetzen können. So fallen Sätze wie: „Der Rucksack ist auch schwerer, denn da sind 13013 Euro drin.“, wohlgemerkt nicht in Münzen (auch wenn mir noch unklar ist, wie man 13 Euro in Scheinen aufteilt). Er versucht verzweifelt mit den Kandidaten mitzufiebern und wirkt doch nur wie der Lehrer, der einem am Ende der Klassenarbeit ermunternd auf die Schulter klopft: „Wird schon.“
Scream! If you can ist eine Adaption aus Großbritannien, die Prüfungen der ersten Folge wurden fast eins zu eins übernommen. In weiten Teilen ist das auch gut so. Und doch wünsche ich mir einen Teil eigene Identität für diese Sendung, auch wenn eine Fortsetzung bei den aktuellen Quoten wohl leider erst einmal auszuschließen ist. Verdient hätte sie es, vor allem als guter Ansatz für ein modernes Storytelling.