ZDFneo gibt sich experimentierfreudig (Foto: Frank Krause / ZDFneo)
ZDFneo gibt sich experimentierfreudig (Foto: Frank Krause / ZDFneo)

ZDFneo experimentiert im TV

Ein Fernsehsender, der das macht, was die Zuschauer sagen. Eigentlich eine schöne Idee. Normalerweise lassen die Sender hier die Quote entscheiden, ob sie ein Format fortsetzen – oder eben nicht. Der Sender ZDFneo beschreitet ab dem 27. August jedoch einen anderen Weg. Sicher auch, weil der durchschnittliche Marktanteil des 2009 gestarteten Digitalprogramms immer noch meist deutlich unter einem Prozent, teils im nicht messbaren Bereich, liegt.

Innerhalb einer Woche werden zehn Pilotsendungen ausgestrahlt, darunter eine Show, drei Comedy-Formate und satte sechs Magazine, die um die Gunst der Zuschauer, aber vor allem der Internetgemeinde kämpfen. Denn hier wird schlussendlich der Wettbewerb ausgetragen: Im Internet.
Auf der Webseite zum TVlab können sich die User Hintergrundinfos zu den Sendungen ansehen und bewerten, wie gern sie die Sendung wiedersehen würden, wie originell sie die Idee fanden und wie ihnen die Umsetzung gefiel.

Eines kann man schon jetzt sagen, ZDFneo beweist Mut – allerdings auch nicht all zu viel. Denn die Fallhöhe ist nicht sonderlich groß, die Sendungen laufen sehr spät am Abend, Zuschauer hat man momentan ohnehin noch nicht viele, und der wohl wichtigste Aspekt: Die beteiligten Produktionsfirmen müssen den Großteil der Kosten selbst tragen.

Doch was wird dem Zuschauer nun geboten? Entsprechend der Rahmenbedingungen und anhand der Trailer, lässt sich schon jetzt erkennen, dass Ideen umgesetzt wurden, die nicht all zu viel kosten dürfen. Fast alle Sendungen wurden mit EB-Teams draußen auf der Straße gedreht, teils ergänzt durch Autorenkameras oder gar mit versteckten Exemplaren.
Trotzdem gibt es darunter anscheinend echte Perlen, wie die Sendung Ausgekuschelt! Die Puppen-WG in der sich Puppenspieler Martin Reindl nach Haselhörnchen – Hier knallt die Ente! (Super RTL) erneut an einer erwachsenen Variante seiner Puppen-Sitcom versucht. Auch der Trailer zum Filmmagazin Moviacs gefällt mir in seiner Aufmachung ganz gut, obgleich er nicht viel über die eigentliche Sendung verrät.

Leider  sieht man auch einige Formate, die man so wohl eher am Samstagabend auf RTL oder in der Nachmittagsrotation von MTV erwarten würde. Vor allem Liebe auf Speed hat frappierende Ähnlichkeit mit Disaster Date. Die besten Freunde suchen heimlich vier Dates aus und schauen mit versteckter Kamera zu, was passiert, wenn der vermeintliche Single auf diese trifft. Einzig der Ausgang soll beim TVlab die große Liebe und eben kein komplettes Desaster sein. Bei der Sendung Bullshit scheint ebenfalls Name gleich Programm zu sein, doch ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

Auf der Webseite zum TVlab kommt der Nutzer vor der Abstimmung allerdings doch nicht ganz herum, sich einer gewissen Zielgruppendefinition zu unterwerfen, so ist anzugeben wie alt man ist und welchen Beruf man ausübt.
Und auch ganz neu ist die Idee nicht, sondern wurde von der European Broadcasting Union übernommen. Innerhalb dieser startet das Konzept dieses Jahr gleich in mehreren Ländern, nachdem es zwei Jahre lang erfolgreich im niederländischen Fernsehen lief.

Doch auch in Deutschland ist die Idee, gleich mehrere Sendungen im schnellen Rhythmus zu pilotieren, nicht ganz neu. 2001 versuchten sich Frank Elstner und RTL2 bereits an Die neuen Fernsehmacher, einer Sendung in der die Zuschauer erst Ideen für interessante Shows einreichen und – nach einer Vorauswahl von RTL2 – fünf dieser Konzepte an fünf Abenden umgesetzt und ausgestrahlt wurden. Am Ende durften die Zuschauer über den Sieger abstimmen. Der Preis: Eine regelmäßige Show auf RTL2.
Gewonnen hatte damals der Informatikstudent Jürgen Preuß mit der Sendung Was passiert, wenn…? In der, ähnlich wie beim alten Kopfball, die Kandidaten erraten mussten, was bei verschiedenen Experimenten passiert, sobald sie durchgeführt werden.
Ein großer Erfolg war das Ergebnis trotzdem nicht, denn RTL2 wollte die Sendung am Ende doch nicht ausstrahlen. Zwar sicherte sich darauf der SWR die Rechte, doch über drei Ausgaben kam sie trotzdem nicht hinaus.

Es bleibt also zu hoffen, dass das Experiment im ZDF positiver verlaufen wird – vor allem aber, dass die trashigen Formate auch von der Internetgemeinde sofort abgestraft werden.

Ob es nun ein Erfolg wird oder nicht: Der designierte ZDF-Intendant Thomas Bellut stellte bereits jetzt, bei der Pressekonferenz zum TVlab am 15. August 2011, klar, dass er das Konzept künftig auch für das Hauptprogramm anwenden möchte. Dann natürlich mit mehr Geld und hoffentlich auch Quote. Schließlich setzt er die Latte ziemlich hoch, indem gar von einem deutschen Two and a half men spricht, welches er gerne als Konsequenz dieses Experimentes sehen würde.

Ich jedenfalls bin gespannt wie erfolgreich das Experiment verlaufen wird. Vor allem aber, von welcher Qualität die produzierten Sendungen nun tatsächlich sind.