Schon vor einigen Wochen bin ich auf das Video einer Seemöwe gestoßen, die angeblich in Cannes eine Kamera klaut, damit über die Stadt fliegt und sie dann auf einer Mauer achtlos zurücklässt. Als alter Hase im Internet, neigt man nun schnell dazu das Ganze als Fake und dreiste Marketingkampagne abzutun. Vor allem, weil im Titel des Videos der Name GoPro fällt. Ein Kamerahersteller, der damit wirbt, was für Bilder seine Geräte auch unter extremen Bedingungen machen. Doch wie sicher kann man sich mit dieser Behauptung sein?
Virale Videos sind kurze Clips, die sich, ähnlich wie ein Virus, in ihrer Bekanntheit immer schneller ausbreiten, indem die Zuschauer den Link über mehrere Ebenen an ihre Freunde und Bekannten weiterleiten. Oft wird dieser Effekt mit einer Marketing-Kampagne gleichgesetzt. Ohne Frage, in den meisten Fällen stimmt es am Ende auch. Doch muss das nicht immer der Fall sein. Aber wie sieht es in diesem konkreten Fall aus? Zumindest gibt es berechtigte Zweifel an der Authentizität des Clips.
Schaut man sich im Web Kommentare zum Video an, scheint die Sache klar. Wie soll er die Kamera wiedergefunden haben? Wie kann die Möwe Geräusche machen, wenn sie die Kamera im Schnabel hält? Ist die Kamera überhaupt derart Lichtempfindlich?
Das Video ist jetzt seit dem 23. Juni 2011 online. Doch bislang gab es weder von GoPro, noch vom Uploader eine Bestätigung für diese These. Und selbst wenn dem so ist, werden diese sich hüten mit so etwas die Diskussion und damit den Anstieg der Abrufzahlen zu stoppen.
Stattdessen ist auf Youtube mittlerweile ein weiteres Video aufgetaucht. Es handelt sich um ein Interview mit dem Besitzer des Youtube-Kanals, in dem er angeblich beschreibt, unter welchen Umständen das Video entstanden ist. Nun ist das Problem folgendes: Als West-Europäer ist die Sprache, in der er spricht, zumeist unverständlich. Außerdem gibt es auf Youtube zwei Uploads des Clips mit jeweils anderer Übersetzung.
Die erste Variante nutzt die Untertitel-Funktion von Youtube und wirkt dadurch etwas authentischer, da Youtube theoretisch eine Transkriptions-Funktion besitzt. In diesem Fall glaube ich aber, dass jemand die Untertitel von Hand geschrieben hat.
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Die zweite Variante kommt ohne Untertitel aus, allerdings befindet sich unter dem Video ein beliebter, und dadurch weit oben angezeigter, Kommentar mit folgendem Inhalt:
Here, I’ll translate:
„First, we outfitted the camera with a GPS tracking device so we could retrieve it, then we baited the camera by smearing it with mashed up frites [french fries]. The frites worked really well. Seagulls actually wanted to take it right from our hands!
Of course, we did many takes, with many different seagulls, and many excursions through Cannes tracking down the camera.
The one you see is just the best result of the many attempts.“
Auch hier bleibt offen, wie ernst diese Übersetzung zu nehmen ist, oder ob hier einfach der Meinung der Masse nach dem Mund geredet wird. In jedem Fall scheint das Video auf beiden Kanälen das einzige seiner Art zu sein, und das obwohl es durch den Vorspann einen offiziellen Eindruck erwecken soll. Es stellt sich die Frage, woher das Original-Video stammt oder ob diese beiden Uploads ebenfalls gezielt gestreut wurden, um die Diskussion weiter anzufachen. Der Anlass des Interviews jedenfalls ist fraglich, warum sollte nun ausgerechnet dieser junge Herr auf dem Festival interviewt worden sein? Bei stern.de scheint man diese Problematik nicht ganz so ernst zu nehmen und sieht einfach die zweite Variante der Übersetzung als maßgebend an.
Ähnlich sieht es übrigens mit dem Video des filmenden Löwes am Ende aus. Auch hier wurde bislang von keiner Seite bestätigt, dass es sich um einen Marketing-Trick handelt.
Was am Ende bleibt ist die Ungewissheit, ob die Videos wirklich durch Zufall oder als Auftrag von GoPro entstanden sind.
Zwei Dinge sind allerdings klar. Die Videos breiten sich wie ein Virus aus, der Clip der Möwe, mit mehr als 5x so vielen Aufrufen, sogar viel deutlicher. Man kann also zweifelsohne von Viralen Videos sprechen. Und auch der Werbeeffekt für GoPro ist enorm, sei es nun durch Zufall oder wirklich forciert. Die Frage nach der Marketing-Idee hintern diesen Videos stellt sich also nicht, sondern vielmehr ob die Firma dafür wirklich bezahlt hat oder einfach nur Glück hatte.