Wie viel ist Journalismus eigentlich wert? 17,50 Euro im Monat? 400 Euro im Jahr? Oder doch nur so viel wie ein billiger Tankstellen-Kaffee in einem achtlos weggeworfenen Pappbecher? Manchmal habe ich das Gefühl, das wissen Journalisten, Verlage und Rundfunkanstalten selbst nicht so richtig. Und das ist ein Problem.
Als ich diese Woche in meinem Viertel unterwegs war, war eine Sache ganz und gar nicht zu übersehen: Achtlos weggeworfene Pappbecher mit einem Aufdruck, der für ein Online-Abo der Leipziger Volkszeitung wirbt. Ein würdiger Vergleich sieht anders aus. Doch viel zu oft wird der Wert des Journalismus eben doch am Preis bemessen – in diesem Fall 2,49 Euro pro Woche. Allein der Vergleich eines Billig-Kaffees mit einem journalistischen Produkt ist aus meiner Sicht hanebüchen. Wenn ich mir ein neues Auto kaufe, rechne ich das doch auch nicht die Dönertellern gegen, die ich stattdessen hätte essen können. Im besten Fall brauche ich das Fahrzeug um zur Arbeit, zur Familie oder zum Supermarkt zu kommen.
Diskussion um Rundfunkbeitrag hat längst sachliche Ebenen verlassen
Wie verquer die Diskussion um den Wert von Journalismus ist, zeigt auch die ständige Auseinandersetzung mit den Rundfunkbeiträgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auf der einen Seite Politik und Kritiker, die sich am Rundfunkbeitrag ansich abarbeiten. Warum dieser zu hoch oder nicht gerechtfertigt sei. Auf der anderen Seite die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die mit ihren über Jahrzehnten gewachsenen Doppel- und Dreifach-Strukturen lieber drohen bei Kürzungen am Journalismus oder den Redaktionen zu sparen statt am eigenen Wasserkopf. Von den 8 Milliarden Euro landen nach meiner Zählung jährlich jedenfalls nur rund 1,5 Milliarden Euro bei Nachrichten, Kultur und Wissenschaft. Hinzu kommen die unsäglichen Diskussionen und Entschuldigungsrunden rund um redaktionelle Entscheidungen. Von Umweltsau bis Aurel Mertz, über den Anteil der Politiker in den Gremien bis hin zu Personal-Veränderungen aufgrund politischer Befindlichkeiten. Es entsteht ein verschobenes Bild der Anstalten, das nichts mit den eigentlichen Inhalten zu tun hat.
Statt auf sachlicher und konstruktiver Ebene zu diskutieren, sind die Fronten verhärtet. Was darunter leidet, ist der eigentliche Journalismus und wie er gesellschaftlich wahrgenommen wird. Denn gute Inhalte haben sowohl die Rundfunkanstalten als auch die Verlage im Land. Einzig die Auffindbarkeit und Präsentation vermögen das nicht immer direkt verraten.
Guter Journalismus hat einen Wert für die Gesellschaft
Guter Journalismus hat einen Wert für die Gesellschaft, der sich nicht einfach in Euro und Cent gegenrechnen lässt. Aber guter Journalismus braucht Ermöglicher, braucht Rückhalt und Sichtbarkeit. Der Wirecard-Skandal, die CDU-Spendenaffäre oder hier vor Ort der sogenannte Sachsensumpf – ohne Journalismus wären weitere Teile davon im Verborgenen geblieben. Aber oft sind es auch schon die kleinen Dinge: Was genau hat der Stadtrat da tatsächlich entschieden? Wieso hat sich der Bürgermeister vor allen anderen impfen lassen? Oder warum schließt einer der größten Arbeitgeber vor Ort plötzlich?
Legitimation wird sich aber oft nicht auf diesem Weg geholt, sondern durch Angebote, die Reichweite und Aufmerksamkeit versprechen – die aber weniger mit Journalismus zu tun haben. Mit Klatsch und Boulevard holt man Reichweite, entwertet mit der hundertsten Story über Michael Wendler aber auch ein Stück weit die tatsächlich aufwändigen Recherchen. Denn diese Nicht-Nachrichten wird man auch in Zukunft kostenfrei bekommen. Echte Recherchen will man aber auf Basis der dadurch gewonnenen Reichweite verkaufen. Wie soll das gehen? Ebenso leidlich ist es bei der Frage: „Journalismus ja oder nein?“, mit der Abwägung 17,50 Euro oder eines Billigkaffees zu argumentieren.
Sprecht über Inhalte, nicht über lauwarmen Kaffee
Es braucht mehr ehrliches Selbstbewusstsein: Wir sitzen für euch im Stadtrat. Wir gehen für euch in die Krisengebiete der Welt. Wir erklären, welche Konsequenzen diese politische Entscheidung für jeden Einzelnen hat. Guter Journalismus kostet Geld und wenn wir ihn als Gesellschaft wertschätzen, sind auch die Kosten für jeden Einzelnen überschaubar.
Wenn Medienhäuser das aber auch für sich selbst nicht erkennen und kommunizieren, muss man sich nicht wundern, wenn auch der Vertrauen beim Konsumenten verloren geht. Bei Netflix weiß ich, was ich für 7,99 Euro bekomme – jedenfalls keinen Pappbecher mit lauwarmen Kaffee, der für unnötigen Müll auf den Straßen sorgt. Man kann sich selbstbewusst vermarkten oder hinter hanebüchenen Vergleichen verstecken.
Übrigens: Dass die Leipziger Volkszeitung auch ihren gesellschaftlichen Wert sieht, hat die Verknüpfung des Online-Abos mit einer Spende für die hiesige Clubszene gezeigt. Den über 6.000 Neukunden war sicherlich egal, wie viel Kaffee sie sich davon hätten kaufen können.