Imposante, teils raumgreifende Kunstwerke, Spiele mit Licht, Perspektive und Daten – die Ausstellung „Dimensions“ in den Leipziger Pittlerwerken stellt auf rund 10.000 Quadratmetern die „digitale Kunst“ der letzten Jahrzehnte in den Mittelpunkt. Um digitale Daten geht es aber auch beim größten Kritikpunkt der Ausstellung – ihrem Hauptsponsor Palantir.
Wer die Pittlerwerke in Leipzig und die aktuelle Ausstellung „Dimensions“ zum ersten Mal betritt, kann eigentlich nur staunen. Zunächst beim Anblick der gewaltigen Industriebauten im Westen der Stadt. Dann über die erste und raumgreifende Arbeit von Ivana Franke: In einer rund 2.000 Quadratmeter großen, abgedunkelten Halle blickt einen ein Gebilde aus zig kleinen Fäden an, das – von hinten beleuchtet – wie ein riesiger Tunnel aus Formen und Linien wirkt. In Wirklichkeit besteht das Objekt nur aus zwei Ebenen, die durch geschickte Berechnung und Beleuchtung einen Eindruck von Tiefe vermitteln.
Im Verlauf des Rundgangs folgen zahlreiche Kunstwerke zur Visualisierung von Daten, Videoinstallationen und zum Teil verstörend wirkende Maschinen. Zum Beispiel, wenn sich in einem anderen Raum Dutzende von Krankenbetten in einer Arbeit von Jean Michel Bruyère, umgeben von noch mehr Kabeln und Seilen, wie von Geisterhand ständig auf und ab bewegen.
Kunst nur für Instagram – oder doch mehr?
Wollte man böse sein, könnte man viele der Kunstwerke als „instagramable“ bezeichnen – also gut geeignet, um sie auf der Social-Media-Plattform Instagram zu teilen. Das sind sie zweifellos. Man könnte aber auch nett sein und sagen: Vieles provoziert, regt zum Ausprobieren an oder lässt einen für einen Moment selbst Teil der Kunst werden. Wenn sich plötzlich ein Spiegelzylinder um den eigenen Kopf dreht oder man sich in einem Raum voller weißem Nebel und Stroboskoplicht wiederfindet. Aber genau das macht „Dimensions“ so spannend. Viele der Arbeiten kann man von allen Seiten betrachten. Man kann Dinge ausprobieren. Man findet Dinge und Daten aus dem Alltag in einem neuen Kontext wieder.
Viele der Installationen visualisieren Daten oder sind aus (digitalen) Daten entstanden. Einige kritisieren sogar Zensur, den Umgang mit Minderheiten in der Gesellschaft oder wirken einfach dystopisch.
Sponsor Palantir: Daten als Instrument der Überwachung?
Was „Dimensions“ nicht so recht darzustellen vermag, sind einige Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung und der immer größer werdenden Datensätze, die uns alle ganz konkret betreffen. Genau darauf hat sich aber der Hauptsponsor der Ausstellung spezialisiert: Palantir – benannt nach den sehenden Steinen aus „Herr der Ringe“ – führt selbst große Datensätze aus öffentlichen und behördlichen Datenbanken zusammen.
Das Unternehmen muss sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, uns alle zum gläsernen Menschen machen zu können. Die Software von Palantir kann Querverbindungen aus völlig unterschiedlichen Quellen wie Mobilfunkdaten, Polizeiregistern oder Social-Media-Plattformen zusammenführen. Lange Zeit waren Geheimdienste und Behörden die einzigen Kunden des Unternehmens. Finanziert wurde die Gründung auch von der CIA-Investmentgesellschaft „In-Q-Tel“. In den USA, so wird berichtet, sei die Software eingesetzt worden, um Abschiebungen zu unterstützen, bei denen Eltern von ihren Kindern getrennt wurden, oder um rassistische Polizeiarbeit zu rechtfertigen. Nicht zuletzt steckt aber auch der rechtslibertäre Gründer Peter Thiel hinter dem Unternehmen – und dürfte damit mutmaßlich einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen generieren.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Der Besuch von „Dimensions“ ist zum Teil auch eine Gewissensfrage
Auf diese Kritik angesprochen, verweisen die Organisatoren von „Dimensions“ gegenüber der Leipziger Volkszeitung und im persönlichen Gespräch auf die rechtliche Situation. Die Software von Palantir sei nur ein Werkzeug, nicht die ausführende Kraft. Leipziger Künstler hingegen sehen in der Zusammenarbeit mit „Palantir“ ein „Artwashing“ – also das Reinwaschen des eigenen Images durch Kunst. Bis Mitte Juni hatten sich 900 Künstler einem Offenen Brief angeschlossen.
Klar ist aber auch: Kunst und ihre Präsentation kosten Geld. Es ist nicht immer einfach, solche Großprojekte zu finanzieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Und doch wird der Besuch der Ausstellung in den Pittlerwerken so auch ein Stück weit zur Gewissensfrage.
Die Ausstellung „Dimensionen“ ist noch bis zum 9. Juli 2023 in den Leipziger Pittlerwerken (Pittlerstraße 26) zu sehen. Geöffnet ist Mittwoch sowie Freitag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr und donnerstags von 12 bis 20 Uhr.
Offenlegung: Die mit der Pressearbeit beauftragte Agentur „ARTPRESS – Ute Weingarten“ hat mich zum Besuch der Ausstellung eingeladen und die Eintrittskosten übernommen. Für die Veröffentlichung dieses Textes, der Bilder oder der Inhalte wurden keine Vorgaben gemacht.