Wer schaut anderen schon gern beim Solitaire- oder Minesweeper-Spielen zu? Das ist nicht wirklich spannend? Ich sage doch: Wenn es die spielende Person unterhaltsam rüber bringt. Das Phänomen Let’s Play begleitet mich jetzt schon fast zwei Jahre. Völlig fremde Menschen spielen ein Videospiel, kommentieren es und ich kann mir das Ergebnis auf Youtube anschauen. Klar, hat das Spiel eine spannende Story oder eine ausgefallene Optik, bleibe ich eher hängen. Doch das wirklich Unterhaltsame ist, was Gronkh, PietSmiet und co. dann durch ihren eigenen Kommentar daraus machen. Ein ganz besonderes Video landete diese Woche auf dem Kanal von GameTube.
Kleine Indie-Titel faszinieren mich ohnehin, schließlich bin ich auch über Gronkh und Minecraft überhaupt erst zu Let’s Plays gekommen. Doch was Michael Obermeier und Martin Le aus der – eigentlich etwa 20 Minuten langen – Demo von The Stanley Parabel machen, zeigt eindrucksvoll, wie daraus ein zweieinhalb stündiges Unterhaltungsprogramm und das Spiel so ziemlich nebensächlich werden kann.
Zwar ist die Demo durch ihren Erzähler, der jedes Handeln des Spielers mitunter sehr ironisch kommentiert, prädestiniert daraufhin ungewöhnlich zu handeln, doch das Ergebnis ist trotzdem etwas ganz Besonderes.
Gebt „Acht“!
Eigentlich beginnen die beiden Youtuber ganz normal das Demo-Level von The Stanley Parable zu spielen, durchqueren ein paar Räume, drücken ein paar Schalter. Doch schon nach ein paar Minuten landen sie in einem Raum der mehrere Bildschirme und einen Knopf mit der Aufschrift „8“ enthält. Wird dieser gedrückt, sagt eine Computerstimme „Eight“ – also zu Deutsch einfach nur „Acht“. Anfangs versucht die Erzähler-Stimme des Spiels noch die beiden dazu zu bewegen in den nächsten Raum zu gehen. Daraus wird dann allerdings ein zweistündiger Running Gag, den Michi und Martin in diesem Raum abfeiern. Immer und immer wieder drücken sie die Taste mit der „8“ als Aufschrift. Eight. Eight. Eight.
Das klingt auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend und total albern. Nicht zuletzt sie selbst fragen sich immer wieder: „Ob uns jetzt überhaupt noch jemand zuschaut?“ – Aber ich, und viele Videokommentare (sowie die Abrufzahl) sagen: Ja klar! Während auf dem Bildschirm wahrlich nicht viel passiert, laufen die beiden zur Höchstform auf. Diskutieren über die Form der Acht, was ist, wenn man seinen Kopf dreht, aber auch Anekdoten von Presseterminen und Casino-Besuchen in Las Vegas, sowie den Geschmack von verschiedenfarbigen Gummibärchen. Also alles, und irgendwie gar nichts.
Bei zahlreichen anderen Spielern wäre dies, sogar im realen Leben, schnell langweilig geworden – und so ist es auch bei vielen deutlich kürzeren Let’s Plays auf Youtube. Doch die Jungs von Gametube unterhalten sogar zwei Stunden am Stück. Das ist mir auch schon bei früheren Let’s Plays, etwa zu Lego Star Wars oder Outlast aufgefallen. Die Art und Weise, wie sie neben dem Spielgeschehen spannende Anekdoten aus ihrem Leben, zur Popkultur oder witzige Anmerkungen zum Spiel streuen, ist äußerst unterhaltsam und lässt auch ein eher langweiliges Spiel zur Nebensache werden. Warum lebt Yoda eigentlich auf so einem düsteren Planeten? Mit was für einer Soundkarte nehmen sie den Ton auf? Wie ist Taxi-Fahren in München?
Moderne Unterhaltung: Let’s Play?
Das ist es, was für mich ein gutes Let’s Play ausmacht. Sei es mit Freunden real auf dem Sofa oder gut kommentiert durch die Jungs und Mädels von GameTube, Gronkh oder Sexy Cripples. Sobald man gemeinsam ein Spiel „zockt“ und es sich vertraut anfühlt, ist es eine angenehme moderne Unterhaltungsform. Außerdem stärkt es den interaktiven Charakter, auch wenn man selbst gerade gar nicht spielt. Man schaut sich das Geschehen eben nicht einfach wie einen Film an, und lässt sich nur berieseln, sondern bekommt eine persönliche Note und die Möglichkeit (etwa durch die Kommentarfunktion) künftige Episoden zu beeinflussen.
Leider springen auf diesen Trend auch zu oft Spieler auf, die meinen witzig zu sein oder nur auf schnelles Geld durch Youtube-Werbung aus sind. Doch fehlt hier oft Talent, Herzblut und Geduld etwas wirklich Unterhaltsames zu produzieren. Gepaart mit einer großen Selbstüberschätzung, kann das sehr schnell peinlich werden. Darum schaue ich auch nur ein paar Ausgewählte Kanäle, diese dafür regelmäßig.
In diesem Zusammenhang ist das zweieinhalb Stunden Let’s Play zu The Stanley Parable ein ausgezeichnetes Beispiel, wie moderne Unterhaltung aussehen kann und uns wieder auf den Boden der Tatsachen holt. Nicht immer schneller, immer bunter, immer lauter, sondern ein launiges Gespräch in gemütlicher Atmosphäre … fast so wie früher. Ohne Internet. Ohne Fernsehen. Nur eben in „modern“. Für mich immer wieder ein guter Kontrast zu schrillen TV-Shows und hektisch geschnittenen Youtube-Clips.